Ein 40sekundiges Telefonat eröffnet die knapp 80minütige Zeitreise in die Zukunft der elektronischen Rockmusik: “All Pain Is Gone” ist der wunderbare brutale Einstieg in die neue Combichrist-Welt. Keine Schmerzen mehr. Denn Schmerzen sind sowieso nur ein Produkt Deiner Einbildung, sagt der geschulte Psychologe. Doch Psychologie wird nicht benötigt, keine Angst, bei der neuen CD handelt es sich um eine reine Party-Platte.
“Kickstart The Fight” beginnt mit Techno-Loop-Schleifen, die Dir eine Fahrt im Jahrmarkt-Fahrgeschäft “Calypso” vorgaukeln. Du fährst vor - Du fährst zurück - aber bevor Du hinten angekommen bist, reisst Dich das Gefährt wieder brutal nach vorne. Aber Du lachst - Du willst keine Schwäche zeigen, denn Du hast Deine Geliebte im Arm - und die ist in diesem Fall schwarz gekleidet, brünett und heisst Electro-Schaukel. Der Beet reisst Dir wie ein Pendel einer überdimensionalen Uhr ein Loch in die Membrane.
“Today We Are All Demons” heisst das Album. Yes We Can? Bull! Yes We Want! Industrielle Klänge läuten Nummer Vier ein. “I Want Your Blood” brüllt die mit Hall belegte aggressive Stimme. Dracula? Ha! Ein Weisenknabe ist er gegen unseren Anführer, der da heisst ANDY LA PLEGUA: Er hat Combichrist gegründet und ist somit mitverantwortlich für den finsteren Techno-Minimal-Groove, bei dem der Synthie anschwellt und im vierten Takt mit dem Pitch-Regler um einen Ton brutal hochgerissen wird. “Mein Blut kannst haben” denke ich. Ist ‘eh schon alles rausgeschwitzt nach den ersten drei Pogo- Knallern
“Can’t Change The Beat” macht aufgrund moderater 120,2 beets per minute den Einsatz zwischen housigen und rockigtanzbaren Elementen möglich. Die elementare Rhythmus- Struktur wird von einem synkopierten Electro-Funk begleitet. Mit dem harten stampfenden “Sent To Destroy” wird das Tempo wieder angezogen. “Spit” mit hypnotischer Synthie- Linie und bösen Text-Fragmenten, die dem Song - wenn ihn die FSK-Bande jemals zu Gehör bekommt - einen schönen “Explicit lyrics”-Sticker einbringen wird .
Und mit den Einstiegszeilen “You ever get the feeling that everything in America is completely Fucked Up?” im Song “Scarred” geben sie ihrer neuen Wahlheimat auch noch einen ordentlich vor den Obama-Latz. Wenn das nicht mal die CIA spitz kriegt!
“The Kill V2” kommt wieder dem selbst plakativ ausgegebenen Stilrichtung AggroTech am nexten. Aber das schönste kommt noch: “Get Out Of My Head” ist Club-Electro pur. Keine verzerrten Vocals, sondern ein schneller EBM-Zucker, der - kein Witz - nochmals ein Highlight setzt in diesem starken Album.
Mit Schwächen dann überraschender Weise das Titelstück, das zwar mit industriell-maschinellen Klängen spielt, irgendwo auch mystisch-mysteriös klingen will, aber “gesangstechnisch” auf der Strecke bleibt. Muss jetzt auch nicht unbedingt der Anspruch dieser Musikrichtung sein, könnte man einwerfen, aber wenn schon Sushi, dann muss er auch roh gegessen werden. “At The End Of It All” kann keine Steigerung mehr bringen, sondern bringt das Album zu einem routinierten Ende, hinter dem sich dann nach einer rund 15minütigen Ruhepause auch noch ein “Hidden Track” verbirgt, der aber nach 2minütigen Telefonat-Fetzen nur aus einem stampfenden übersteuernden Beet besteht.
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